Strukturen begreifen

Die unmittelbaren Formerfahrungen wie das Formen, Trennen, Zusammenfügen sind eins, das Figuren entdecken in vorgefundenen Strukturen (Wolken, Maserungen, Flecken) ist das Andere. Diese Methode war ursprünglich surrealistisch und dann die der informellen Malerei der 60-er Jahre, besonders aber wie die Kunst Karl-Heinrich Greunes. Seine besondere Art der Malerei hat mir die Augen geöffnet für bildnerische Feinstrukturen und deren Verhältnis zur Figuration. Daneben gab es noch die klassische Figur, wie in den Bildern von Elisabeth Bess. Der Eigenwert von Strukturen, wie bei Greune, und nicht die Dialektik von Figur und Hintergrund, wie bei Bess, wurde betont. Beim Entwurf meiner eigenen Bilder bleibt die Entscheidung, ob Umrisse vonTeilen der Strukturen nach vorne treten oder hinten bleiben zunächst offen. Dadurch ergeben sich immer neue Möglichkeiten der Figurenfindung. Die Räume waren überwiegend Fluchtpunkt- Perspektiven. Dadurch wurde das Fabulieren mit dem Konstruktiven verknüpft. Der ersehnte Beginn des Studiums war für mich eine deutliche Zäsur in meiner künstlerischen Arbeit. Bald nach Beginn des Studiums war die anfängliche Euphorie verflogen. Ich hatte danach lange das Gefühl, die Qualität meiner frühen Arbeiten nicht mehr erreichen zu können. Obwohl ich künstlerisch anerkannt wurde, zeigten sich im Umgang mit Kommilitoninnen und Kommilitonen verstärkt Probleme, wie ich sie auch aus der Schulzeit kannte. Richtige Freunde hatte ich wenige. Mein Studium habe ich zu großen Teilen unabhängig von den Institutionen der Kunsthochschule durchgeführt. Dieses hatte ich bereits vorher gelernt.
Dazu kamen die Irritationen durch die Studentenbewegung. Der Wert individueller künstlerischer Arbeit wurde aus politischen Gründen in Frage gestellt. Das führte zu einer Orientierungslosigkeit, insbesondere beim praktischen Arbeiten. Deren Sinn wurde radikal in Frage gestellt. Die Sinnfrage schien aber mit einer alternativen politischen Praxis lösbar, setzte aber in zweifacher Hinsicht grundlegende Veränderungen voraus. Zunächst die Schulung eines neuen Bewusstseins. Um dieses in der Praxis umsetzen zu können, brauchte es handwerkliche Kompetenz.
Dieser Auseinandersetzung habe ich mich gestellt und versucht, auf der Grundlage meiner bisherigen praktischen Erfahrungen zu eigenen Lösungen zu kommen. Der bisher eng gefasste Kunstbegriff wurde extrem erweitert. Neben der hohen Kunst kam jetzt der ganze Medienbereich hinzu. Die technischen Medien wurden wichtiger als die individuelle Kunstproduktion.
Die vielfältigen Möglichkeiten der Kunsthochschule boten leichten Zugang zu verschiedenen Werkstätten. So habe ich mich intensiv mit Druckgrafik und Fotografie beschäftigt. Daneben habe ich materialistische Kunsttheorie, besonders die Theorien über den Realismus des späten 19. Jahrhunderts studiert. Die auf Druck der Studenten eingerichteten Veranstaltungen über Parteilichkeit in Kunst und Medien mit Richard Hiepe eröffneten völlig neue Perspektiven. Die Weite und Vielfalt dieser anderen Sicht auf die Welt wurde dort mit viel Sachkenntnis vermittelt. Besonders die Geschichte der Fotografie bot Anregungen für die eigene Praxis. Hiepe hat in seinen Vorlesungen seine parteipolitische Position weitgehend außen vor gelassen, aber sein Standpunkt war eindeutig materialistisch.Was uns Studierende betraf, war unser Blick auf eine andere Art eingeschränkt.
In meinen Bildern verarbeitete ich sozialeund Beziehungskonflikte. Die Grundlagen eines phantastisch-gegenständlichen Stils hatte ich im Ansatz selbst bereits entwickelt, dies durch das Studiun aus inzwischen anderer weltanschaulicher Perspektive. Viel Zustimmung zu meiner individuellen Symbolik fand ich allerdings weder bei den sektiererischen Linken noch bei den Vertretern der dogmatischen Moderne. Erst nach dem Studium fand ich zu eigenen Formen des engagierten Realismus. Für welchen Teil der Gesellschaft konkret, blieb offen.